„Ich muss bis zu Ende kämpfen!“ – Fatima Ramazani (19) über ihre Erfahrung im Abitur und an deutschen Schulen

Das Abitur ist eine wichtige Etappe im Leben junger Menschen. Es bestimmt ihre Perspektiven, ihr Studium und ihre Berufsmöglichkeiten. Deswegen haben die Schüler viel Stress bei der Vorbereitung. Aber wie viel stressiger kann das Abitur werden, wenn Deutsch nicht deine Muttersprache ist? Auf diese Frage antwortet Fatima Ramazani (19), indem sie über ihr Leben und ihre Schulerfahrungen in Bayern berichtet.

S: Wie lange wohnst du in Deutschland und wie bist du mit deiner Familie dort zurechtgekommen?

F: Ich wohne seit 8 Jahren hier. Als wir gekommen sind, war ich 11 und ein halbes Jahr alt. Wir haben erst 6 Monate in Garmisch gewohnt und sind dann nach Zolling umgezogen.

S: Wie hast du Deutsch gelernt? Hast du eine Sprachschule besucht oder hast du in der Schule Nachhilfe genommen?

F: Als wir noch in Garmisch gewohnt haben, habe ich selbst Vokabeln gelernt und konnte nur ein paar Sätze sagen. Als wir nach Zolling umgezogen sind, war es schon August und ich musste bald in die Schule gehen. Da ich nur einen minimalen Wortschatz hatte, wurde mir gesagt, dass ich ohne zusätzliche Sprachkurse oder Nachhilfe mit anderen Kindern lernen konnte. Im Laufe der Mittelstufe habe ich dann Deutsch automatisch gelernt. Ich habe auch viele Bücher gelesen; viele Leute aus dem Helferkreis Zolling haben mir Bücher geschenkt und eine Frau ist auch immer zu mir gekommen und wir haben gemeinsam gelesen. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, hat sie mir das immer erklärt. So habe ich die sechste bis zehnte Klasse in der Mittelschule Zolling verbracht.

S: Waren die Lehrer nett zu dir in dieser Schule?

F: Bestimmt, ja. Ich würde sogar sagen, sie waren perfekt. Ich werde diese Leute nie vergessen. Sie fragen immer noch nach mir, weil mein Bruder auch gerade dort lernt. Und die Klassenlehrerin, die ich in der siebten Klasse hatte, ist ein Grund, warum ich die mittlere Reife überhaupt geschafft habe. Ohne sie hätte ich bestimmt die Ausbildung gewählt.

S: Hast du schnell Freunde in der Schule gefunden oder hattest du damit Schwierigkeiten?

F: Weil ich direkt in die sechste Klasse eingesetzt wurde, war es mir anfangs nicht so leicht, Freunde zu finden. Ich habe mich ein bisschen allein gefühlt wegen der Sprache und der allgemein anderen Mentalität, alles war noch neu für mich. Aber ab der siebten Klasse habe ich wirklich gute Freunde gefunden und in der zehnten Klasse habe ich auch meine beste Freundin, Malaeka, kennengelernt.

S: Aber dann hast du dich nach der Bildung am Gymnasium entschieden. Wie bist du zu dieser Entscheidung gekommen?

F: Als ich in der zehnten Klasse war, hat die Klassenlehrerin verkündet, es gebe jetzt die erste Einführungsklasse am Camerloher. Dazu brauchten wir keinen Notendurchschnitt, und Camerloher war das einzige Gymnasium, das diese Möglichkeit angeboten hat. Wenn ich auf die FOS gegangen wäre (das habe ich auch überlegt), hätte ich vier Jahre bis zum Abschluss gebraucht, aber am Camerloher nur drei. Und ich hätte an der FOS die erste Hälfte der elften Klasse ein Praktikum machen müssen, aber ich war nicht sicher, ob ich es schaffen würde, gleichzeitig zu arbeiten und zu lernen. Mir wurde bereits gesagt, dass das Programm am Gymnasium schwieriger ist, aber wie Malaeka gesagt hat, war es Schicksal, dass genau in diesem Jahr die Möglichkeit entstanden ist, am Gymnasium zu lernen, als wir mit der Schule fertig waren. So hat Malaeka mich ermutigt, und wir sind spontan zusammen aufs Camerloher gegangen.

S: Jetzt über Camerloher: Haben dir dort Leute gefallen, ich meine sowohl Lehrer als auch Schüler?

F: Ich hatte in der zehnten Klasse schon meine Freundin Malaeka, deshalb war ich nicht so allein, aber ich habe trotzdem viele andere nette Freundinnen kennengelernt. Mit den Lehrern war es ein bisschen schwieriger, es gab welche, die ich mehr mochte, und solche, die mir nicht gefallen haben. In der zehnten Klasse war ich im Allgemeinen mit allen Lehrern zufrieden. Auch mit Hilfe meines damaligen Klassenlehrers, der Deutsch unterrichtet hat, hatte ich das Gefühl, dass ich alles schaffen kann.

S: Du hast auch gesagt, dass du schon gewusst hast, dass das Programm am Gymnasium schwieriger ist. War es dann genauso, wie du vermutet hast, oder vielleicht leichter/anspruchsvoller?

F: Das war schon eine Herausforderung! Es war viel schwieriger, als ich gedacht habe. Mein Klassenlehrer hat auch gesagt, meine Noten in der Oberstufe würden um eine Note schlechter sein als in der zehnten Klasse, z.B. wenn ich in Deutsch eine Zwei hätte, wäre das in der Oberstufe eine Drei. Am Anfang habe ich das nicht so ernst genommen, weil es doch nicht so schlecht sein könnte. Aber ja… es war viel schwieriger, als ich gedacht habe.

S: Was war dein Lieblingsfach bzw. das Fach, das dir nicht gefallen hat (am Camerloher)?

F: In der zehnten Klasse war mein Lieblingsfach Italienisch, aber in der Oberstufe mochte ich das W-Seminar wegen der Lehrerin. Im Gegensatz dazu war das anspruchsvollste Fach Geschichte. Geschichte war der einzige Grund, warum ich das erste und letzte Mal in der Schule geweint habe! Ich weiß nicht, warum es bei mir so schiefgelaufen ist: ich habe mich immer auf Klausuren vorbereitet, alles gelernt und viel während der Tests geschrieben, aber die Noten waren immer niedriger, als ich erwartet habe.

S: Und jetzt zu deinem Abitur: Wie hast du es bestanden? Bist du damit tatsächlich zufrieden?

F: Ich bin sehr zufrieden! Ehrlich gesagt, habe ich gedacht, ich würde das überhaupt nicht schaffen. Ein Grund dafür waren die Probleme während der Oberstufe, auch persönliche. Ich hatte so viel Druck und Stress, dass ich an einem Punkt sicher war, dass ich es nicht mehr aushalten würde. An einem Tag, als wir eine Klausur in Kunst hatten, bin ich direkt zum Sekretariat gegangen und habe gesagt, ich wolle mich von der Schule abmelden. Die Sekretärin hat gefragt, ob ich sicher sei, aber ich hatte wirklich nichts für Kunst gelernt. Sie hat trotzdem gesagt, das könne nicht sein, und hat die Stufenkoordinatorin angerufen. Sie ist dann sofort gekommen, hat das Blatt weggenommen und gemeint, ich müsse bis zum Ende kämpfen. Sie ist der Grund, warum ich bis zum Ende auf dem Gymnasium geblieben bin: wäre sie nicht gekommen, wäre ich gegangen.

S: Was war das schwierigste Fach in der Prüfung für dich?

F: Ich dachte, Englisch wäre das schwierigste Fach für mich gewesen, aber dort habe ich die beste schriftliche Note erhalten. Tatsächlich war Ethik für mich am schwierigsten, obwohl ich darin immer gut war. Ich hatte nicht viel Zeit zum Lernen, da mein Cousin gestorben ist und später meine Mutter krank wurde. Das alles geschah kurz vor dem Abitur, daher fiel es mir schwer, mich auf das Lernen zu konzentrieren.

S: Haben dich deine Eltern unterstützt? Was haben sie zu deiner Entscheidung gesagt, aufs Gymnasium zu gehen?

F: Sie kennen sich nicht gut mit dem deutschen Bildungssystem aus und haben gesagt, dass dies meine Entscheidung sein muss. Sie würden mich jedoch auf jeden Fall in meiner Wahl der Bildung und des Berufs unterstützen.

S: Und für was hast du dich entschieden? Was möchtest du in Zukunft machen?

F: Nach den Berufstests habe ich über Lehramt oder Management nachgedacht, aber ich ziehe den zweiten eher vor. Ich werde auf jeden Fall studieren und plane, im Wintersemester zu beginnen. Ich habe mich bereits für Management beworben, warte aber noch auf Ergebnisse. Früher habe ich mir darüber keine großen Gedanken gemacht, weil, wie gesagt, ich nicht erwartet hatte, die Oberstufe zu schaffen. Mir gefällt die Idee, im Bereich Management zu arbeiten, da ich auch ein großes Interesse daran habe.

S: Bist du noch im Kontakt mit den Klassenkamerad:innen aus Camerloher? Planst du ihn weiter zu halten?

F: Mit ein paar habe ich noch Kontakt. Diese Leute haben mir bei den Nachprüfungen sehr geholfen. Ich hatte nur 2-3 Tage Zeit, mich auf Deutsch vorzubereiten. Ich musste alle Epochen und Werke auswendig lernen, und sie haben mich wirklich gerettet: sie haben mir nicht nur Zusammenfassungen geschickt, sondern mich auch motiviert, weiter zu lernen. Unser Ziel war es, zusammen mit dem Abitur Camerloher zu verlassen. Ohne die Stufenkoordinatorin und diese Leute hätte ich die Oberstufe nicht geschafft.

S: Welchen Rat kannst du Jugendlichen geben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und die gerade versuchen, sich in die Schulgemeinschaft zu integrieren?

F: Erstens, es kann offensichtlich klingen, aber lernt Deutsch: viel und immer. In der Mittelschule bin ich durch Auswendiglernen weit gekommen und dachte, das reicht aus. Aber Camerloher hat gezeigt, dass man auch Verständnis braucht, um mit komplexeren Fachbegriffen umgehen zu können. Nutzt jede Gelegenheit und lernt die Sprache. Zweitens, recherchiert gründlich, bevor ihr eine Entscheidung trefft. Mein Beispiel ist die Einführungsklasse; damals war sie neu, aber jetzt gibt es die Möglichkeit, dass Interessierte zum Gymnasium kommen und alles anschauen können. Wenn ihr interessiert seid, nutzt diese Gelegenheit; vielleicht werdet ihr eure Entscheidung innerhalb einer Woche ändern.

Das Interview führte Sofiia Veremeienko.

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